Wie lassen sich Bollinger Bänder für die Chartanalyse nutzen?

Bei den Bollinger Bändern oder auch Bollinger Bands handelt es sich um eine weitere beliebte Methode für die Chart-Analyse, die prinzipiell auf dem gleitenden Durchschnitt beruht. Entwickelt wurde diese Methode durch den Finanzmathematiker John Bollinger. Grundsätzlich zielt diese Analysetechnik vor allem darauf ab, Trendveränderungen zu identifizieren. Ausgangspunkt ist dabei der gleitende Durchschnitt auf Basis der Kurse von 20 vorausgehenden Handelstagen. Prinzipiell können aber auch andere Zeiträume als Grundlage herangezogen werden. Die Idee von John Bollinger beruht zunächst auf dem Phänomen der Standardnormalverteilung. Diese wurde ursprünglich vom deutschen Mathematiker Gauß entdeckt und besagt, dass sich in normal verteilten Wertegruppen die Werte stets um die mathematische Mitte bzw. den Durchschnitt gruppieren. Sichtbar wird dies in der sogenannten gaußschen Glockenkurve.

Bei einer solchen angenommenen Normalverteilung kann also davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Werte sich im Bereich der Mitte befinden und nur wenige Ausreißer an den Rändern zu finden sind. Je nachdem, wie weit die jeweiligen Werte um den mathematischen Mittelpunkt streuen, kann eine konkrete Standardabweichung berechnet werden. Genau diese Beobachtung wird für die Bewertung von Kurscharts zugrunde gelegt. Für jeden Kurschart kann diese Standardabweichung berechnet werden. Die jeweilige Standardabweichung besagt dann, wie stark die einzelnen Tageskurse um den mathematischen Durchschnitt geschwankt haben. Auf der Grundlage des eigentlichen Kurses sowie der errechneten Standardabweichung können dann zwei weitere fiktive Kursverläufe in einem Chart berechnet werden, nämlich in dem die Standardabweichung einmal zum Kurs hinzuaddiert und einmal subtrahiert wird. Diese beiden Linien über und unter dem Hauptkurs werden dann als Bollinger Bänder bezeichnet.

Aus dem Chartbild, welches auf diese Weise ermittelt wird, können dann verschiedene Informationen und vor allem Prognosen für die zukünftige Entwicklung eines bestimmten Wertes abgeleitet werden. Wenn sich etwa das obere und das untere Band immer stärker an einander annähern, steht nach der Theorie von Bollinger eine starke Kursveränderung bevor. Allerdings lässt sich leider nicht klar prognostizieren, ob diese nach oben oder nach unten stattfinden wird.

Eine weitere Erkenntnis im Umgang mit Bollinger Bändern besteht darin, dass die Kurse häufig dazu tendieren, sich zwischen dem oberen und dem unteren Band zu bewegen. Ein Erreichen des oberen Bandes kann vor diesem Hintergrund also als kurzfristiges Verkaufssignal gewertet werden, da nun zu erwarten ist, dass sich der Kurs wieder in Richtung des unteren Bandes bewegen wird. Anders herum ist eine Annäherung an das untere Band ein wichtiges Signal für den Kauf des jeweiligen Wertes. Als weitere Formationen kann bei der Kursbewegung innerhalb der Bollinger Bänder auch eine Bodenbildung identifiziert werden. Dies ist der Fall, wenn sich der Tageskurs für längere Zeit in der Nähe des unteren Bandes bewegt. Ist dies der Fall, sehen Analysten darin ein Anzeichen für eine bevorstehende Trendwende. Bricht der Wert dann tatsächlich aus, das heißt konkret, wird eines der Bänder deutlich durchbrochen, kann mit einer weiteren nachhaltigen Entwicklung des Kurses in dieser Richtung gerechnet werden.

Die Analysemethode durch Bollinger Bänder wird durch zahlreiche Chart Programme unterstützt. Dabei können viele unterschiedliche Versionen und Betrachtungszeiträume eingestellt werden. Auch in diesem Fall sollten sich insbesondere junge und unerfahrene Trader klarmachen, dass es sich hier, wie bei allen Analysemethoden nicht um eine absolut sichere Variante handelt. Vielmehr können hieraus Signale für Handelsentscheidungen abgeleitet werden, die jedoch auch in den Zusammenhang mit anderen Informationen gestellt werden sollten, um zu einer soliden Kaufentscheidung zu kommen.

Tatsächlich gibt es auch zahlreiche Kritiker, die dieser Methode für die Analyse von Charts nur sehr wenig abgewinnen können, bzw. diese für unglaubwürdig halten. Wichtigster Ansatz: Für die Kritik ist die Erkenntnis, dass Handelsentscheidungen und die daraus resultierenden Kurse keiner klassischen Normalverteilung entsprechen. Vielmehr sind diese Handelsentscheidungen am Ende das Ergebnis von fundamentalen Daten wie wirtschaftlichen Kennziffern, Unternehmensergebnissen oder auch politischen Entscheidungen. Erst auf dieser Grundlage, so die Kritiker, werden die eigentlichen Handelsentscheidungen getroffen. Ein auf dem Zufall beruhende Normalverteilung kann auf diese Weise jedoch nicht entstehen.

Auch Bollinger selber hat immer wieder darauf hingewiesen, dass einer Berührung von Kurs und Band im Chartbild keine absolute Bedeutung beigemessen werden sollte. Nichtsdestotrotz haben sich die Bollinger Bänder als wichtiges Analysekriterium unter vielen Händlern durchgesetzt, womit teilweise auch der tatsächliche Prognoseerfolg erklärt werden kann. Denn wenn sich viele Händler gleichzeitig daran orientieren und ihre Handelsentscheidungen danach ausrichten, trifft das erwartete Ergebnis im Endeffekt auch tatsächlich ein. Experten sprechen in diesem Fall wiederum von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Dies sollten Trader, die sich der Analysemethode der Bollinger Bänder bedienen, stets im Hinterkopf behalten und eben nicht stur nach Chartlage handeln. Ohnehin gilt für Bollinger Bänder das gleiche, wie für alle anderen Analysemethoden auch: Sie sind nicht unfehlbar, sondern lassen allenfalls Rückschlüsse auf Wahrscheinlichkeiten bzw. Chancen und Risiken zu.

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